Meine Kollegen fragen mich schon, was ich da die ganze Zeit in unseren Dolmetschpausen tippe
ad Colin: (…) “Wir sind wohl die einzigen Lebewesen, die sich die Frage nach dem Sinn ihrer Existenz stellen können.”
Warum denkst du das? Ich habe keine Ahnung, was die Tiere denken. (…)
“wohl die einzigen Lebewesen” besagt, dass es lediglich eine Vermutung ist und die stützt sich auf Aussagen, die ich bisher von Wissenschaftlern gelesen habe. Ich bin kein Experte in dem Fach, habe keine eigenen Untersuchungen angestellt, aber auch aus meinem persönlichen Umgang mit Tieren schließe ich, dass es sehr wahrscheinlich ist, dass sie sich nicht ähnliche Fragen nach dem Sinn ihrer Existenz stellen wie wir Menschen.
Sie sind, soviel ich weiß, so gut wie ausschließlich durch Instinkt geleitet und der hat nicht immer etwas mit Verstand zu tun. Und um sich Fragen nach der eigenen Existenz stellen zu können, braucht man meiner Meinung nach Verstand. Ich glaube, dass unter Fachleuten allgemein Konsens herrscht, dass Tiere keine Verstandeswesen sind. Natürlich können sich diese Fachleute auch irren, aber das gilt dann wohl für fast alles, was von Wissenschaftlern als “Wahrheit” oder “Faktum” präsentiert wird.
(…) “die Frage jedoch, ob es Gott gibt oder nicht, lässt sich meiner Meinung nach nicht wissenschaftlich beantworten.”
Aber denkst du, dass diese Frage anders als andere Fragen ist? Ist diese Frage speziell? (…)
Ja, ich halte diese Frage für speziell. Sie berührt mich in deutlich anderer Weise als die Frage, wann oder warum Wasser bei einer bestimmten Temperatur verdampft oder friert. Die Frage, ob ich ein Produkt eines kosmischen Zufalls bin oder ein Schöpfer hinter meiner Existenz steht, beschäftigt mich wesentlich mehr als viele andere Fragen.
Ich kann mir nicht vorstellen, wie man die Existenz Gottes nach wissenschaftlichen Maßstäben beweisen kann. Man kann ihn ja nicht einmal wirklich definieren. Was oder wer ist Gott? Ist er eine Ansammlung von Materie? In diesem Fall müsste man zuerst über die Eigenschaften dieser Materie Bescheid wissen, bevor man sich auf der Suche nach ihr begeben könnte.
Die Bibel sagt meines Wissens nichts über Eigenschaften Gottes aus, die uns in die Lage versetzen würden, seine Existenz nachzuweisen. Spuren früherer menschlicher Existenz und/oder der Existenz anderer Lebewesen kann ich beispielsweise anhand von Fossilien und mit anderen Mitteln nachweisen. Wie willst du das bei Gott machen?
Du kannst lediglich Aussagen über die Glaubwürdigkeit (die wiederum nach deinen eigenen persönlichen Maßstäben gemessen wird) von Behauptungen in Zusammenhang mit dem vermeintlichen Wirken von Gott treffen. Ob er beispielsweise wirklich das Rote Meer geteilt hat, ob es den brennenden Dornenbusch wirklich gab, ob David und Goliath tatsächlich existierten, aber die Existenz Gottes wirst du nicht nachweisen können, weil sie nicht mit naturwissenschaftlich erfassbaren Charakteristika in der Bibel beschrieben wird.
(…) Vielleicht gibt es einen kleinen Unterschied zwischen ‘Theorie’ auf Deutsch und ‘Theory’ auf Englisch, aber ich denke nicht. (…)
Für mich ist eine Theorie lediglich ein Erklärungsversuch. Manche Theorien sind anerkannter als andere, aber Gewissheit gibt es in den wenigsten Fällen. Und wissenschaftliche Theorien werden, wie wir wissen, fortlaufend über den Haufen geworfen - das ist wohl auch das Wesen der Wissenschaft, ständig an Kenntnissen zu feilen und sie auf Grund neuer Erkenntnisse zu ändern. Was in meiner Schulzeit als “Faktum” präsentiert wurde, ist heute schon längst überholt.
Mein Freund ist Arzt und er meinte erst kürzlich, dass er heute Dinge lehrt (er hält ein paar kleinere Vorlesungen an der UNI), die zu seiner Studienzeit noch dazu geführt hätten, dass er mit Pauken und Trompeten bei der Prüfung durchgefallen wäre. Damals wurden ihm diese Dinge als “Gewissheit” präsentiert, heute ist es angeblich völlig falsch.
(…) Wir haben noch nicht solche Beweis entdeckt, und deswegen haben wir keine Grund zu denken, dass es einen Gott gibt. (…)
Ich würde die menschliche Unzulänglichkeit, die sich auch darin äußert, dass wir eben nicht alles wissen und erklären können, nicht als Beleg dafür heranziehen, dass Dinge nicht existieren.
(…) …should be against them because they’re the exact opposite of them and not in a good way.’ (…)
Das war kein Argument, sondern eine Behauptung, die er durch nichts untermauern konnte.
ad Jay: (…)
(c) der Atheist geniest dieses Leben und fühlt sich dabei absolut sicher, dass es kein Leben nach dem Tod gibt. Der Tod ist für ihn das allerschlimmste, was er sich vorstellen kann.
Glücklich ist Mensch B, denn er geniest dieses Leben und fürchtet den Tod nicht. (Und selbst wenn er unrecht hätte, würde er es nie wissen!)
Ich glaube nicht, dass für Atheisten automatisch der Tod das Allerschlimmste ist, was sie sich vorstellen können. Es gibt Menschen, die dem Ende sehr gefasst entgegensehen.
Ich glaube, dass Mensch B im Regelfall tatsächlich relativ gelassen dem Tod ins Auge blickt. Zumindest zeigen viele Untersuchungen, dass das Sterben als Prozess gläubigen Menschen oft leichter fällt als anderen.
Meine Mutter beispielsweise ist gläubig und ehrlich gesagt, bin ich sehr dankbar dafür. Ihr Glaube spendet ihr mehr Trost als ich ihr geben könnte. Ich kann ihr meine Liebe geben, aber die ist oft mehr Ursache für Schmerz als für Freude. Der Gedanke, uns zurückzulassen, belastet sie schwer und der Gedanke, dass wir sie verlieren werden, bedrückt uns.
Was ihr Kraft gibt, ist ihr Glaube an die Güte Gottes, das heißt, dass er, was auch immer noch geschehen mag, ein “Einsehen” mit ihr haben und sie nicht zu sehr leiden lassen werde und, wie Mütter eben so sind, dass er auch auf ihre Kinder und ihren Mann schauen möge, wenn sie einmal nicht mehr ist.
Um diesen Glauben beneide ich sie manchmal, aber er ist nichts, was man sich einfach zurechtbasteln kann. Ich tröste mich in schwierigen Momenten damit, dass etwas, das meine Mutter als Schicksal ereilt (und vor ihr andere Menschen, die mir viel bedeutet haben), so schlimm nicht sein kann, als dass ich es nicht auf mich nehmen würde (ich könnte es ohnehin nicht ändern). Wenn sie diesen Weg geht, dann will ich ihn auch gehen. Letztendlich will ich dort sein, wo sie ist.
Sollte es einen Gott geben, bin ich davon überzeugt, dass sie zu ihm kommt. Auch wenn ich, nach heutigem Stand und nach gängiger Glaubenslehre, ihr nicht folgen werde, wird sie mich immer in ihrem Herzen tragen - das ist die einzige “Ewigkeit”, die ich brauche. Es tut mir leid, wenn ich etwas melodramatisch klinge, aber das hat wohl mit meiner augenblicklichen Gemütsverfassung zu tun und letztendlich passt es doch zum Thema.
Ich hatte zu Zeiten, zu denen ich noch glaubte, vielleicht auch weniger Furcht vor dem Tod. Im Augenblick bin ich aber davon überzeugt, dass ich einfach dorthin zurückkehre, woher ich gekommen bin. Aus den Weiten des Kosmos in die Weiten des Kosmos. Ich bin einfach Teil dieses Universums und werde irgendwo in winzigen Teilchen in völlig anderer Form weiterhin existieren.
Sinn hat meine Existenz von vornherein wahrscheinlich keinen, aber ich kann während meines Lebens dafür Sorge tragen, dass die Zeit, die ich hier verbringe, nach menschlichen Maßstäben nicht völlig wertlos ist. Für das Universum an sich bin ich völlig unbedeutend, aber für meine Familie, Freunde und andere Menschen, denen ich zeitlebens begegne, kann ich zumindest vorübergehend von großer Bedeutung sein. Diese Bedeutung schwindet in dem Ausmaß, in dem wir uns von menschlichen Maßstäben entfernen.