Vor wenigen Tagen war ich in Wien bei einer internationalen Architektur-Konferenz. Ich bin zwar kein Experte, was Architektur anbelangt, aber ich weiß, was mir gefällt und dazu zählen viele prächtige Gebäude in Wien, die aus der Gründerzeit stammen, aber auch so manches moderne Gebäude. Wien als Stadt mag ich aber auch deshalb, weil es die einzige Großstadt in Österreich ist und weil man dort ein wenig von dem Flair der großen weiten Welt verspüren kann.
Einer meiner Lieblingsorte ist der Wiener Naschmarkt. Von Montag bis Samstagmittag findet man dort kulinarische Köstlichkeiten aus aller Herren Länder und auch die Händler selbst haben die unterschiedlichsten kulturellen Hintergründe. An manchen Orten erinnert mich der Naschmarkt, der sich im Freien befindet, ein wenig an einen Bazar. Neben vertrauten Gerüchen und Gesichtern gibt es immer wieder Neues zu entdecken und das Sprachengewirr der Händler trägt sein Übriges zu dieser meiner Meinung nach einzigartigen Atmosphäre bei.
Eines meiner Lieblingslokale ist ein Speiselokal (auf dem Markt gibt es neben Gemüse-, Obst-, Fleischhändlern usw. auch Speiselokale), das von einem deutsch-israelischen Paar geführt wird. Es bietet orientalische Spezialitäten aus unterschiedlichsten Ländern an. Neben den Gaumenfreuden, die das Lokal bietet, reizt mich aber besonders die internationale Zusammensetzung des Küchen- und Service-Personals. Die Mitarbeiter kommen aus so unterschiedlichen Ländern wie Äthiopien, Israel, Ägypten, dem Libanon, Frankreich, Österreich, Deutschland und der Türkei. Alle sprechen Deutsch, aber sie unterhalten sich untereinander auch oft auf Englisch und/oder in ihren jeweiligen Landessprachen.
Diese sprachliche Vielfalt spiegelt sich auch in der Zusammensetzung der Gäste wider und so manches Mal habe ich mich schon dabei ertappt, ob des für mich so reizvollen Sprachengewirrs aufs Essen vergessen zu haben. Da bedarf es zuweilen eines etwas ernsten Blickes meines Gegenübers, damit ich mich wieder auf den eigentlichen (in meinem Fall aber wohl auch oft nur vorgeschobenen) Grund meines Besuchs erinnere und mich ganz den kulinarischen Genüssen hingebe.
Als ich das letzte Mal in dem besagten Lokal war, habe ich einige Brocken Hebräisch und Arabisch aufgeschnappt. Beide Sprachen interessieren mich ungemein und ich habe mir auch schon einiges an Lernmaterial besorgt. Allein die Zeit zum Lernen fehlte mir bisher, so dass ich mich bis dato mit ein wenig Hineinschnuppern in diese Sprachen begnügen musste.
Dennoch war ich hocherfreut, als ich das eine oder andere Wort verstand. Da das Personal auch sehr freundlich ist, habe ich bei der nächsten Bestellung ein kurzes Gespräch begonnen und die Kellner gefragt, woher sie ursprünglich stammen. Daraus entwickelte sich ein nettes Gespräch, bei dem ich zumindest zwei, drei Floskeln in den beiden Sprachen anbringen konnte, die dann - trotz der offensichtlichen Banalität des Gesagten - ein zum Teil erstauntes und zum Teil leicht belustigtes Lächeln auf das Gesicht der Kellner zauberten.
Es sind Momente wie diese, die mir immer wieder vor Augen führen, warum ich so gerne Sprachen lerne. Es ist die Lust an der Kommunikation mit Menschen - fernab tiefgründiger Abhandlungen über die grammatikalischen oder sprachwissenschaftlichen Aspekte einer Sprache, geht es mir in erster Linie darum, mit Menschen ins Gespräch zu kommen.
Das allein ist all die Mühen wert, die das Lernen (im Idealfall das Erlernen) einer Sprache mit sich bringt.
Auf meiner Suche nach Gleichgesinnten bin ich in den vergangenen Jahren auf viele interessante Youtube-Kanäle und Foren, wie beispielsweise dieses hier, gestoßen. Im Laufe der Zeit ergab sich dadurch auch so manch interessante Diskussion. Zuweilen habe ich jedoch den Eindruck gewonnen, dass das Sprachenlernen zu einer Art Hochleistungssport hochstilisiert wird. Der - zumindest für mich - eigentliche Grund des Sprachenlernens scheint in den Hintergrund gedrängt zu werden, während andere Aspekte die Oberhand zu gewinnen scheinen. Wer spricht ohne Akzent, wer kennt die meisten Wörter, wer weiß über jedes noch so kleine sprachwissenschaftliche Detail Bescheid, wer braucht am wenigsten Zeit, um eine Sprache zu lernen usw.?
Ein Austausch von Erfahrungen ist sicher sehr wertvoll und in vielen Fällen gerade für jene hilfreich, die am Anfang des Lernprozesses stehen. Der sich immer stärker zu verbreiten scheinende Wettbewerbsgedanke ist meiner Meinung nach hingegen für das Erlernen einer Sprache eher abträglich, zumindest nimmt er dem Ganzen viel von der Unbeschwertheit, die das Lernen einer neuen Sprache für mich so reizvoll macht.
Jedenfalls freue ich mich immer wieder, wenn ich die Sprachen, die ich gelernt habe, in der Praxis - und zwar abseits von Dolmetschkabinen - verwenden kann.
In diesem Sinne freue ich mich schon sehr auf meinen bevorstehenden dreiwöchigen Urlaub in den USA (am Sonntag geht die Reise los). Dort werde ich wieder Gelegenheit haben, mit vielen Leuten zu sprechen und so manch neue Eindrücke zu sammeln.
Mit etwas Glück werde ich auch ein paar andere begeisterte Sprachenlerner treffen, mit denen ich Kontakt aufgenommen habe.
Ich freue mich auch schon sehr auf das Sprachengewirr auf dem Flughafen, das für mich immer ein echter Ohrenschmaus ist. Und wer weiß, vielleicht erliege ich während dieser Reise wieder den klanglichen Reizen einer Sprache, die ich noch nicht gelernt habe. Auch wenn mir mein Verstand sagt, dass ich eigentlich kaum mehr Zeit habe, mich mit einer weiteren Sprache zu beschäftigen, so scheinen mein Herz und meine Leidenschaft dem zu widersprechen und lassen mich immer wieder auf Pfaden wandern, die mir neue (sprachliche) Welten eröffnen. Der Preis dieser Leidenschaft ist ein steter Drang zu Neuem hin und eine daraus resultierende gewisse (intellektuelle) Unruhe, der Lohn ein vielfältiges Leben, das meinen Alltag um so manche Facette bereichert.
Mich würde interessieren, ob Ihr Sprachen vorrangig aus beruflichen oder privaten Beweggründen lernt. Ich habe festgestellt, dass Menschen, die aus welchen Gründen auch immer dazu gezwungen werden, eine Sprache zu lernen, im Regelfall weitaus weniger erfolgreich sind als solche, die sich aus freien Stücken auf dieses wunderbare Abenteuer einlassen.