Nachdem ich Deinen Beitrag angehört habe, kann ich sagen, dass da schon etwas dran ist. Die Situation in Schulen ist wirklich nicht ideal für das Sprachenlernen und dass das praktisch in den meisten Ländern so oder so ähnlich abläuft, hat wohl eine gemeinsame Ursache. Als Englischlehrer kenne ich die Probleme, die aus dem Schulsystem herrühren.
Ich unterrichte zwar 14-19-Jährige an einer kaufmännischen Schule (business college), wo es um berufsrelevante Englischkenntnisse geht, aber die ersten zwei Jahre beschäftige ich mich vor allem mit dem Vermitteln und Nachholen von Grundkenntnissen der Grammatik und dem Ausbau des Grundwortschatzes, bin also auch einer, der in der schulischen Situation Tests und Prüfungen durchführen muss.
Der frühe Englischunterricht in der Grundschule ist meiner Meinung nach fast wertlos, mangels entsprechender Ausbildung und entsprechender zeitlicher Rahmenbedingungen. Sicher gibt es viele engagierte Grundschullehrer, die auch gut Englisch können, aber die Anzahl der Stunden und die Möglichkeiten sind doch überwiegend beschränkt. Vielleich ist es auch der Lehrplan, der die Lehrer zwingt, auf natürliche Weise Englisch zu vermitteln.
Im Anfängerunterricht der Sekundarstufe 1 (in Österreich Hauptschule und Gymnasium-Unterstufe) wird sicher vieles unterrichtet und gefördert, aber überwiegend auf die Weise, die Du in Deinem Beitrag beschreibst: mit Drill, Zwang, schlechten Noten und oftmals schlechten Ergebnissen. Ich sehe große Unterschiede zwischen den Schulen, von denen Schüler zu uns kommen. Von der Unfähigkeit, eine Frage oder Verneinung im Präsens zu bilden, einem sehr spärlichen Vokabular - kaum ein A2-Niveau nach 4 Jahren! - bis zu kommunikativ und auch grammatisch sehr fortgeschrittenen Englischkenntnissen spannt sich ein weiter Bogen. Schüler, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, haben sowohl mit Deutsch als Zweitsprache als auch mit Englisch zu kämpfen, von der zweiten Fremdsprache Französisch oder Spanisch gar nicht zu reden.
Die Situation ist für Lehrer und Schüler äußerst unbefriedigend. Drei Wochenstunden, in einem Jahr sogar nur zwei, also 14 Wochenstunden in fünf Jahren, sollten doch genug sein um in Englisch ein gutes B2-NIveau und in der zweiten Fremdsprache B1 erreichen zu lassen. Warum nicht mehr? Schon das Erreichen dieses Zielniveaus (bis zum Abitur, österreichisch bis zur Reifeprüfung) ist unter den gegebenen Rahmenbedingungen fraglich. Die Schüler sind es gewohnt benotet zu werden, sie haben Vermeidungsstrategien entwickelt, verlieren das Interesse, sich selbständig mit den Fremdsprachen zu beschäftigen und lernen nur für Prüfungen. Eine Konditionierung, die schon früh beginnt, setzt sich immer weiter fort. Versuche, mit LingQ-Methoden zu arbeiten verlaufen selbst bei Schülern, die (ab dem 3. Jahr) Laptops in den Klassen benützen und Internetzugang haben im Sand.
Das Hauptproblem ist die Einstellung, der Lehrer müsse den Schülern etwas beibringen. “Das haben wir nicht gelernt” ist eine immer wiederkehrende Phrase bei Lehrerwechseln. Es ist eine Verkettung von Lehrplan (Stoff und Prüfungen und Beurteilungskriterien), Stundenplan, Konkurrenz von verschiedenen Fachgruppen unter den Lehrern, zusammen mit einem ausufernden Programm an Exkursionen, Vorträgen etc. etc., die den Schülern die Lust am Lernen vergällen. Auch Lehrer sind unter diesen Bedingungen frustriert.
Ich kann hier nur einige Probleme anreißen, und es gibt noch mehr, würde mich aber auch über Ideen, Erlebnisberichte und Anregungen freuen. Abschließend kann ich trotz allem sagen, dass die Schule mir nicht die Lust am Sprachenlernen verdorben hat (ich hatte Englisch, Latein und Französisch im Gymnasium).