Vor geraumer Zeit habe ich einen Artikel von einem Sprachwissenschaftler gelesen, der sich ernsthafte Sorgen um den Fortbestand des Österreichischen gemacht hat. Nachdem ich den Artikel gelesen hatte, wurde mir bewusst, dass der Mann mit seinen Befürchtungen wohl gar nicht so schief liegt.
Um keinen Zweifel aufkommen zu lassen, möchte ich gleich vorweg festhalten, dass ich alles andere als nationalistisch eingestellt bin, aber dennoch eine starke Verbundenheit zu meiner Muttersprache empfinde und diese Muttersprache ist die österreichische Variante des Hochdeutschen. Außerdem habe ich so Manches, was ich hier schreibe, mit einem Augenzwinkern geschrieben.
Wie in allen anderen Ländern, gibt es auch in Österreich unterschiedliche lokale Dialekte, die alle ihren Reiz haben, aber es gibt auch so etwas wie das “Österreichische” insgesamt. Als ich noch zur Schule ging, gehörte das “Österreichische Wörterbuch” zur Standardausstattung mit Lehrbüchern. In der Zwischenzeit hat der Duden diesem Wörterbuch auch in vielen unserer Schulen den Rang abgelaufen.
Durch die immense Popularität der deutschen privaten Fernsehsender (RTL, SAT1 etc.) in Österreich ist es zudem zu einer deutlichen Beeinflussung der Alltagssprache gekommen.
In meiner Familie bin ich z. B. der Einzige, der noch nicht fortlaufend “Tschüss” anstatt “Servus” sagt. Trotzdem ist mir aufgefallen, dass auch ich in der Zwischenzeit Ausdrücke verwende, die ich vor einigen Jahren nicht verwendet hätte. Mea culpa, mea culpa, mea maxima culpa.
Natürlich gab es diese Entwicklung schon früher. So wurden die Paradeiser vielerorts schon lange durch Tomaten ersetzt und die Erdäpfel durch Kartoffeln. Auch der Jänner scheint langsam dem Januar weichen zu müssen. Der Feber hat dem Februar schon vor so langer Zeit Platz gemacht, dass die meisten jungen Leute in Österreich damit nicht einmal mehr einen Kalendermonat verbinden.
Da Sprache etwas Lebendiges ist, sind solche Entwicklungen wohl unausweichlich und an sich auch nichts Schlechtes. Persönlich finde ich es nur schade, wenn es dabei zu keinem wirklichen Austausch, sondern zu einer Verdrängung kommt. Im speziellen Fall liegt die Verantwortung dafür aber in erster Linie bei den Österreichern selbst.
Wenn ich in Touristenorte nach Tirol fahre, dann finden sich dort auf der Speisekarte Wörter, für die ich vor 10 Jahren wohl noch ein Wörterbuch oder zumindest eine eingehende Erläuterung des Kellners benötigt hätte. In der Zwischenzeit weiß ich aber natürlich, dass das für mich etwas unheimlich klingende “Eisbein” einfach unsere gute alte “Stelze” ist. Beides sehr schmackhaft bzw. “lecker”, wie das heute heißt.
Tja, und da kann es schon sein, dass man von den Leuten an der Rezeption nicht an das nächste Geschäft, sondern an den nächsten “Laden” verwiesen wird.
Spannend wird das Ganze insbesondere bei Diskussionen über den “richtigen” Artikel. Heißt es jetzt “der Keks” oder doch “das Keks”? “Der Joghurt” oder “das Joghurt”? Einer meiner Freunde meinte in diesem Zusammenhang vor ein paar Tagen, dass er sich einfach nicht an “das Keks” gewöhnen könne.
Da schaute (mein fünfjähriger Neffe würde wohl “gucken” sagen) ich ihn kurz verwundert an und meinte nur: “Was heißt hier “gewöhnen”? Wir haben doch immer “das Keks” gesagt.” Und schon entbrannte eine hitzige Diskussion. Laut Duden und Österreichischem Wörterbuch heißt es in Österreich “das Keks” und in Deutschland “der Keks”. Ganz so eindeutig wie ich dachte ist das aber wohl nicht, weil meine Schwägerin aus Niederösterreich angeblich in ihrer Kindheit auch “der Keks” sagte. Bum, so viel zur Solidarität der Niederösterreicher.
Wenn die Entwicklung so weitergeht, wird uns nur mehr unser Akzent bleiben und der “Schmäh”, den man zum Glück nicht nur in Wien findet. Tja, und das “Granteln” wird wohl auch nicht so schnell verschwinden.
Im Übrigen gibt es nicht nur in Österreich Leute, die sich Sorgen um den Bestand ihrer lokalen Sprachvariante machen. Als Red Bull vor einiger Zeit eine Werbekampagne für sein Cola in Deutschland startete, löste das Unternehmen einen Sturm der Entrüstung in unserem Nachbarland aus.
Radiosender wurden mit Protestanrufen überhäuft, Leserbriefe füllten Zeitungen und so manches Plakat wurde kurzerhand von entsetzten Bürgern entfernt oder zumindest korrigiert. Der Stein des Anstoßes war die Tatsache, dass auf den Plakaten die Formulierung “das Cola” stand, während man in Deutschland “die Cola” sagt.
Ich vernahm die damaligen Nachrichten zugegebenermaßen mit einem gewissen Schmunzeln.
Letztendlich werden wir wohl dieser Entwicklung wenig entgegensetzen können. Ich werde zwar weiterhin bewusst und gerne typisch österreichische Ausdrücke und Formulierungen verwenden (ohne dadurch in irgendeiner Weise andere Sprachvarianten herabsetzen zu wollen), aber auf Dauer gesehen wird sich wohl das Bundesdeutsche auch bei uns verstärkt durchsetzen.
Das ist weder das Ende der Welt noch ein großes Unglück, ein bisschen traurig werde ich aber trotzdem sein, wenn ich mit meinem Österreichischen bald als Dinosaurier gelte.
Ich glaube, dass es ähnliche Entwicklungen auch bei anderen Sprachen gibt, die in mehreren Ländern gesprochen werden.
Wie gesagt, letztendlich ist das Ganze keine wirkliche Tragik und ganz “tschari gehn” wird das Österreichische dann ja wohl doch nicht. Das wäre mir dann nämlich auch nicht “powidl” oder “blunzen”. In diesem Sinne hoffe ich, dass sich auch Leute, die Deutsch als Fremdsprache lernen, für unterschiedliche Deutschvarianten interessieren, wobei es natürlich sinnvoll ist, sich zuerst mit der Variante zu beschäftigen, die von den meisten Leuten verstanden wird. Und das eine oder andere österreichische Wort, das ich hier verwendet habe, ist auch eher umgangssprachlich als der Hochsprache zugehörig.
In den meisten Fällen gibt es zum Glück auch keine Verständigungsschwierigkeiten durch die unterschiedlichen Varianten. Ob jetzt ein Österreicher drei Stunden an der Bushhaltestelle gestanden IST oder ein Deutscher gestanden HAT, bei Regen haben sie wohl beide keine besondere Freude. Und wenn ich in Deutschland oberhalb der Weißwurstgrenze wieder einmal beim Fleischer, pardon Metzger, einkaufen gehe, dann werde ich natürlich tunlichst darauf achten, bei der Mengenangabe für die Wurst Gramm und nicht Deka zu verwenden. Obwohl ich mich zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich schon durch mein “Grüß Gott” als Ösi zu erkennen gegeben habe.
Also, in diesem Sinne, allen Deutschlernenden weiterhin viel Spaß (bzw. “Spass” in Deutschland auf Grund der unterschiedlichen Aussprache, nach der sich die neue Rechtschreibung richtet) und nichts für ungut.
Servus